Über den Artikel
Das Opus Magnum des Architekten und Architekturhistorikers Vittorio Magnago Lampugnani über die Architektur der Stadt im 20. Jahrhundert: eine Ideengeschichte, eine Baugeschichte, eine Kulturgeschichte.
- Architektur und Städtebau des 20. Jahrhunderts erstmals in weltumspannender Perspektive
- Mit ca. 640 Abbildungen: Stadtpläne, Entwürfe, Zeichnungen, Architekturfotografien, Luftaufnahmen - viele davon großformatig und farbig
- Ein Standardwerk der Architekturgeschichte
Lampugnanis Werk ist das Ergebnis jahrzehntelangen engagierten Forschens und Lehrens, basierend auf der Beobachtung, dass sich der Städtebau seit einiger Zeit aufspaltet in die Architektur einerseits und die Stadtplanung andererseits. Befasst sich die Architektur mit dem Entwurf einzelner Bauwerke oder Gebäudeensembles, so konzentriert sich die Stadtplanung auf die Ausweisung von Nutzflächen und die Erfüllung von funktionalen, vor allem verkehrstechnischen Anforderungen, ohne räumliche oder gar ästhetische Vorstellungen zu entwickeln. Diese Spaltung zwischen Poesie und Zahlen - wie Lampugnani es formuliert - muss rückgängig gemacht werden, und das gelingt ihm mit diesem Buch. Warum, fragt Lampugnani, hat eine Stadt zu ihrer speziellen ästhetischen Form gefunden?
Natürlich spielen Topographie, Bodenbeschaffenheit und Klima dabei eine maßgebliche Rolle, aber auch örtliche Traditionen, Überlieferungen und Lebensgewohnheiten. Kunst-, Film- und Literaturgeschichte liefern Beispiele, die das Werden einer Stadt veranschaulichen.
Das Buch ist chronologisch aufgebaut, zugleich markiert der Autor mit jedem Kapitel einen lokalen Schwerpunkt: Es ist die Einladung zu einer großen Reise an die wichtigsten Orte der internationalen städtebaulichen Entwicklung des 20. Jahrhunderts.
Vittorio Magnago Lampugnani über sein Buch
Herr Lampugnani, Sie haben für dieses große Buch das Thema der Stadt im 20. Jahrhundert gewählt.Warum?
Weil es eines der wenigen Themen ist, von denen ich etwas verstehe, aber auch, weil es mir für unsere Gesellschaft zentral erscheint. Über die Hälfte der Menschen, die auf unserer Erde leben, wohnen und arbeiten in Städten, in vierzig Jahren werden es 70 Prozent sein, also knapp 6,4 Milliarden. Es scheint mir nicht nutzlos, sich mit diesen Städten etwas genauer zu beschäftigen.
Ihr Buch handelt aber vom 20. Jahrhundert, das bereits Geschichte ist.
Es ist unsere Geschichte: die Geschichte, die über 80 Prozent unserer Städte hervorgebracht hat. Wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen, und wir müssen aus ihr lernen; auch aus ihren Fehlern.
Wie kann ein solches Lernen aus der Geschichte aussehen?
Die Grundlage der Städte, die wir heute entwerfen und bauen, sind die Städte, wie sie existieren: gebaut oder auch nur erdacht. Sie sind die Modelle, die sich bewährt oder nicht bewährt haben. Wir können sie nicht wörtlich übernehmen, wohl aber darauf aufbauen und uns an ihnen messen.
Das Werk, das nun vorliegt, ist schon auf Grund seines Ausmaßes beeindruckend: über tausend Seiten. Waren Sie sich zu Beginn der Arbeit über deren Umfang bewusst?
Zugegeben, als ich vor ein paar Jahrzehnten mit der Arbeit begonnen habe, hatte ich ein handlicheres Buch im Auge. Im Laufe der Forschungsarbeit hat sich aber gezeigt, dass es neben den bekannten Entwicklungslinien des Städtebaus des 20. Jahrhunderts viele Neben- und Gegenlinien gibt, die bei genauerem Hinsehen nicht minder bedeutsam sind als die Entwicklungen, welche die orthodoxe Geschichtsschreibung untersucht. Ich wollte sie nicht auslassen, und dadurch ist das Buch dicker geworden. Ich hoffe, auch interessanter und innovativer.
Außergewöhnlich ist auch die große Zahl der Abbildungen. Wie konnten Sie diese zusammentragen?
Sie sind mein ganzer Stolz. Viele der abgebildeten Pläne und Zeichnungen waren bislang unbekannt, und auch die bekannten wurden in der Regel nie so veröffentlicht, wie wir es tun: Wir haben sie zum großen Teil direkt von den Originalen reproduziert, die wir in den verschiedensten Archiven ausfindig machen konnten.
In welcher Tradition sehen Sie Ihre Arbeit?
Es gibt große historische Abhandlungen zur Stadt, von jener Lewis Mumfords bis hin zu der Leonardo Benevolos. Was das 20. Jahrhundert betrifft, so kennen wir vertiefte Untersuchungen zur Architektur, aber eben nicht zur Stadt. Das habe ich versucht und das ist neu.
Wollen Sie mit Ihrem Buch die Wissenschaft oder die Stadt ändern?
Beides. Die Wissenschaft, indem die Stadt im 20. Jahrhundert in ihrer gesamten Komplexität neu gelesen wird, dabei aber immer mit Blick auf ihre physische Form. Und die Stadt, weil diese Leseart neue kritische und konzeptionelle Instrumente bereitstellt, die - so hoffe ich wenigstens - der Planung unserer Städte zu Gute kommen werden.
Autorenportrait:
Der Architekt und Architekturhistoriker Prof. Dr. Ing. Vittorio Magnago Lampugnani, 1951 in Rom geboren, war 1990–1995 Direktor des Deutschen Architektur Museums in Frankfurt am Main (DAM) und Herausgeber der Architekturzeitschrift »domus«. Er arbeitet als Architekt in Mailand und lehrt Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich. Nicht zuletzt durch seine vielbeachteten und weltweit kontrovers diskutierten Bücher erwarb sich Lampugnani den Ruf eines der international bedeutendsten Städtebautheoretiker. Er war einer der Hauptprotagonisten des Berliner Architekturstreits, der sich an den Leitbildern der Neubebauung der Berliner Innenstadt nach der Wiedervereinigung entzündete. In jüngster Zeit entwickelte er den Masterplan für das neu gestaltete Werkareal der Novartis AG St. Johann in Basel.
1. Malerisch Wohnen im Grünen:
Von den Fabriksiedlungen zur Gartenstadt
und zur Linearen Stadt
2. City Beautiful:
Die amerikanische Großstadt zwischen Pathos
und Spekulation 1898–1909
3. Stadtbaukunst der Beaux-Arts:
Die Cité Mondiale von Eugène Hénard und die
Cité Industrielle von Tony Garnier
4. Im Wien der Jahrhundertwende:
Künstlerischer Städtebau versus
unbegrenzte Großstadt
5. Impressionistische Stadtarchitektur:
Hendrik Petrus Berlage, die Amsterdamer Schule
und die holländische Neue Sachlichkeit
6. Skyscraper City:
Der Wolkenkratzer als städtischer Baustein
1891–1939
7. Kreative Aufgeregtheit,
Innovative Gelassenheit:
Vom Futurismus zum Novecento italiano
1909–1940
8. Avantgarde und Stadt:
Projekte in der Sowjetunion nach der
Oktoberrevolution
9. Auf dem Weg in die Moderne:
Lebensreform, Expressionismus und
andere deutsche Utopien
10. Berlin 1910–1933:
Eine Versuchsanordnung
für die Architektur der Großstadt
11. Neue Sachlichkeit, neues Bauen:
Die Siedlungen der Weimarer Republik
12. Drei Gesamtkunstwerke
der Klassischen Moderne:
Die Stuttgarter Weißenhofsiedlung,
das Neue Frankfurt und Tel Aviv
13. Das Rote Wien:
Austromarxismus und städtische
Arbeiterpaläste 1919–1934
14. Le Corbusier:
Theorien, Visionen und Kahlschläge im Namen
der »Autorité«
Städtebau der CIAM 1928–1959
16. Im Italien des Faschismus:
Zwischen Traditionsbeflissenheit,
Modernisierungseifer und Repräsentationswahn
17. Genie und Gesellschaft:
Frank Lloyd Wrights Broadacre City
im Schatten der amerikanischen
Dezentralisierungsbewegung
18. Autogerechte Stadtplanung
in New York und Mexico City:
Parkways, Highways, Shopping Malls
und Großsiedlungen
19. Der sozialistische Realismus
und die Stadt: Die »Ingenieure des Glücks«
bauen die Sowjetunion neu auf
20. Laubenidyllen und Monumentalachsen:
Städtebau im Deutschland
des Nationalsozialismus
21. Vergangenheitsbewältigung
und Kalter Krieg:
Wiederaufbau im zweigeteilten Deutschland
22. Rationalistischer Klassizismus
in Frankreich: Auguste Perret und
Fernand Pouillon als Städtebauer
23. Der Mythos der Wahrheit:
Städtebau im Spanien Francos
und im Italien des Neorealismus
24. Von den Trabantenstädten
zu den Grosssiedlungen:
Europäische Planungen
für den gesellschaftlichen Frieden 1945–1970
25. Drei Gründungsstädte des
20. Jahrhunderts:
Chandigarh, Brasilia und Dhaka
26. Die Internationale der Stadtutopie:
Technikeuphorie und Megastrukturen
27. Auf dem Grat zwischen Populismus und
Lebensnähe: Postmoderne und Stadt
in den USA 1960–2000
28. Analyse, Analogie und Erneuerung:
Die Abenteuer der typologischen Stadt
über die Autoren
Vittorio Magnano Lampugnani
Vittorio Magnago Lampugnani, geboren 1951 in Rom, ist einer der international bedeutendsten Städtebautheoretiker. 1990?1995 war er Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main (DAM) und Herausgeber der Architekturzeitschrift domus. Er arbeitet als Architekt in Mailand und lehrt Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich....
Auszeichnungen

Die Sachbuch Bestenliste präsentiert monatlich die von einer 30-köpfigen Jury ausgewählten Top Ten unter den Sachbüchern. Die Initiative der Süddeutschen Zeitung, des BuchJournals und des Nord...